
In Frankreich werden in diesen Tagen die Themen künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft ausgiebig diskutiert. Wer für das bestehende Verbot beider Verfahren für homosexuelle Paare eintritt, sieht sich nur allzu oft dem Vorwurf der Homophobie ausgesetzt. Unterstützung kommt nun von unerwarteter Seite: viele Homosexuelle weigern sich zunehmend, als Vorwand einer weiteren Verdinglichung von Frauen und Kindern herangezogen zu werden.
Aufgrund der Dringlichkeit dieser Themen beschlossen homosexuelle Intellektuelle in der französischen Tageszeitung Le Figaro Stellung zu nehmen, um klarzustellen, dass die Stimme der homosexuellen Monopolverbände nicht die ihre ist. Da der heutige gesellschaftliche Diskurs um die Rechte für Homosexuelle zumeist bloß mit subjektiven und emotionalen Argumenten geführt werde, sehen sich die Verfasser in der Verantwortung, sich für eine Rückkehr zur Vernunft des Argumentes auszusprechen. Dabei erklären sie, dass es keine Diskriminierung sei, Homosexuellen den Zugang zu künstlicher Befruchtung und zu Leihmutterschaft zu verwehren. Denn die Unmöglichkeit gleichgeschlechtlicher Paare Kinder auf natürlichem Weg zu zeugen, sei weder eine Diskriminierung des Staates noch der Gesellschaft, sondern einfach eine Gegebenheit der Natur. Der Staate habe keine Pflicht, eine nicht vorhandene Diskriminierung zu beseitigen. Dies zu betonen, habe nichts mit Homophobie zu tun, sondern beziehe sich lediglich auf objektive Tatsachen.
Die künstliche Befruchtung nur heterosexuellen Paaren zugänglich zu machen, sei also keine Diskriminierung, da es schließlich nur diesen vorbehalten ist, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Außerdem würde eine Öffnung der künstlichen Befruchtung für lesbische Paare unweigerlich zu einer Öffnung der Leihmutterschaft für schwule Paare führen, damit diese nicht einer vermeintlichen Ungleichbehandlung ausgesetzt würden. Die Leihmutterschaft aber stelle ein noch viel größeres Übel als die künstliche Befruchtung dar. Die Verwendung einer anderen Frau zur Austragung seines Kindes führe notwendigerweise zu deren Verdinglichung. Eine Verdinglichung, die der Würde der Frau nicht angemessen, ja mit Menschenhandel gleichzusetzen sei. Zusätzlich würde die Aufhebung des Leihmutterschaftsverbotes zu einer Verdinglichung des betroffenen Kindes führen, das durch diese Praxis gleich einer Ware zwischen verschiedenen Parteien gehandelt wird. Dies steht im Übrigen im Gegensatz zu Artikel 7 der UN-Kinderrechtskonvention, welcher das Recht eines Kindes, seine biologischen Eltern zu kennen und bei diesen aufzuwachsen, festschreibt.
Schließlich wenden sich die Verfasser ebenfalls gegen einen zunehmenden „Reproduktions-Tourismus“. Aufgrund der französischen Gesetzeslage ist es Paaren möglich, sich in Ländern, in denen dies erlaubt ist, über Leihmütter Kinder anzuschaffen und diese dann in Frankreich als eigene Kinder registrieren zu lassen. Dies sei nicht nur unmoralisch, sondern respektiere auch nicht die Souveränität des französischen Staates.
Momentan bemüht sich die Haager Konferenz (HCCH) für Internationales Privatrecht, einen rechtlichen Rahmen für diese Praxis zu schaffen. Kritik daran kam vom international vernetzten feministischen Verein Collectif pour le Respect de la Personne (CoRP). An die französische Justizministerin Nicole Belloubet erging die Bitte, gegen den zunehmenden „Reproduktions-Tourismus“ vorzugehen. In diesen zunehmenden Protest gegen die Aufhebung des Leihmutterschaftsverbotes ist auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus dem vergangenen Jahr einzuordnen. Das in Russland von einer Leihmutter zur Welt gebrachte Kind wurde einem italienischen Paar bei der Rückkehr nach Italien von den staatlichen Behörden sogleich weggenommen, mit dem Hinweis auf das Verbot der Leihmutterschaft in Italien. Dieses Verbot wurde in einem anderen Fall vom italienischen Verfassungsgerichtshof bestätigt.
Bemerkenswert ist schließlich, dass sich die Verfasser im Le Figaro allgemein gegen eine hinter diesen Entwicklungen stehenden Ideologie wenden, nämlich die Gleichsetzung von technischem und moralischem Fortschritt. Was technisch möglich sei, sei nicht deswegen auch moralisch. Die Beantwortung der moralischen Frage müsse jedoch rationell erfolgen, dürfe nicht rein der Emotion erliegen.