Mutig neue Tabus brechen
Junge Christen drängen unkonventionell in Österreichs Politik – von Stephan Baier
Veröffentlicht in der Tagespost am 26.09.2019
Manchmal müsse man sich die Hände schmutzig machen, um etwas zu bewegen. Eine erfrischend unkonventionelle Begründung dafür, weshalb er 2016 der ÖVP beitrat und für sie jetzt kandidiert, hat Jan Ledóchowski da parat. Der polnisch-stämmige Präsident der „Plattform Christdemokratie“ spricht nicht in Marketing-Stehsätzen, sondern Klartext: Er sei überzeugt, dass die Christdemokratie für die großen Zukunftsfragen die richtigen Antworten habe – aber nur, wenn sich Christen hier ausreichend engagieren.
Dafür hat er am Dienstage – wenige Tage vor der Nationalratswahl – in einem Raum der Wiener Hofburg idealistische Mitstreiter versammelt. Das ist Gudrun Kugler, seit Jugendtagen Lebensschutz-Aktivistin und Familien-Lobbyistin, die 2017 für die ÖVP ins Parlament einzog. Sie wirbt in hochgeschwinden Stakkato dafür, christliche Werte gerade dann zu vertreten, wenn diese als umstritten gelten. Wenn es um Mann und Frau, um Familie oder Sexualerziehung gehe, werde es heute ungemütlich. Darum brauche es Christen in der Politik, die mutig sind.
Drei Mutige haben sich an diesem Abend rund um Kugler und Ledóchowski geschart: Da ist der aus dem Tur Abdin stammende syrisch-orthodoxe Christ Gabriel Jona, der sich als Aramäer vorstellt: „Aramäisch war die Sprache Jesu!“ Ja, es gebe viel Ayslmissbrauch und „Migration ins Sozialsystem“, sagt er. Die syrischen Christen würden brav Deutsch lernen und sich integrieren, doch der politische Islam wolle die ganze Welt islamisieren. „Der politische Islam hat in Europa keinen Platz!“ Der 28-Jährige tritt in Wien für die ÖVP an. Dort gebe es viel Verbesserungspotential, aber aus seiner Sicht sei die ÖVP die „am ehesten christliche Partei“ in Österreich
Der 35-jährige Menas Saweha ist koptischer Christ und zitiert gleich in seiner Vorstellung den verstorbenen Kopten-Papst Schenuda II als Inspirationsquelle. Nach den Weihnachtsanschlägen auf eine koptische Kirche in Alexandria habe er 2011 bei der FPÖ zum Thema Christenverfolgung referiert. Damals habe sich nur die FPÖ für die verfolgten Christen interessiert, meint er. Heimisch wurde er dort nicht, sei er doch schon wegen seiner Hautfarbe komisch angeschaut worden, erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch Menas Saweha warnt vor falscher Toleranz und politischer Korrektheit: „Wir sehen doch heute in den orientalischen Ländern, welchen Schaden der politische Islam angerichtet hat.“
Der junge niederösterreichische Weinbauer Martin Minkowitsch kandidiert auf aussichtslosem Platz für die ÖVP. Als erfolgreicher Winzer strebt er weniger nach einem Abgeordnetenmandat als danach, christliche Positionen zur Sprache zu bringen. Eine Handvoll gute Leute könne viel bewegen , meint er, der einst Vorsitzender der „Jugend für das Leben“ war und heute Vater von sieben Kindern ist. Fröhlich ruft er dazu auf, neue Tabus zu brechen und vermeintlich verbotene Fragen zu stellen. Und liefert selbst ein Beispiel: Heute werde Abtreibung im Namen des Klimaschutzes propagiert; Kinder zu bekommen, gelte als Verstoß gegen die neue Scheinmoral.
Der Präsident der „Plattform Christdemokratie“ lauscht schmunzelnd den Worten seiner Freunde mit und ohne Migrationshintergrund. Sein Appell an die Christen lautet: „Aufhören zu jammern, aufstehen, vorangehen“. Seine Plattform wolle ein Netzwerk sein, ein Informationsfluss in die Politik hinein, so Ledóchowski. In der ÖVP gebe es „verschiedene Flügel“, da müssten Christen „mit Mut und Selbstbewusstsein zu ihren Überzeugungen stehen“. An beidem mangelt es Ledóchowski nicht. „Christliche Werte sind nicht nur für Christen, sondern für alle gut!“, ist er überzeugt. Das christliche Erbe habe die Kultur Österreichs geprägt. Das mache auch heute die Attraktivität dieses Landes aus. Er konzentriere sich auf jene Themen, für sich niemand einsetze – außer den Christen.