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Stellungnahme zur Arte Doku “Aufstieg der Abtreibungsgegner”
2. Mai 2018
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Bis zum 3. Mai ist auf der Website der Arte Mediathek eine Dokumentation über den sogenannten Aufstieg der Abtreibungsgegner zu finden. Mit Abtreibungsgegner sind wohl Menschen gemeint, welche sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzten, doch wird schon in den ersten Minuten der Reportage vor einer möglichen Rückkehr Europas in „finstere Zeiten“ gewarnt und mit einer emotional aufgeladenen Stimme die Bedrohung harterkämpfter Selbstbestimmungsrechte für Frauen verkündet.

Zum einen wird in dieser Reportage ein intensives „Cherry Picking“ betrieben, so führt man zum Beispiel einen Fall aus Italien an, wo eine ärztliche Abtreibungsverweigerung eventuell zum Tod der Schwangeren geführt hat. Diese Methodik ist im gesamten Film zu beobachten, etwa durch das immer wieder kehrende Motiv des Kleiderbügels, um die mögliche Rückkehr illegaler Abtreibungen zu signalisieren. Durch solche, von ominöser Musik umrahmten Momente wird der Anschein erweckt, dass Abtreibungen ausschließlich von Frauen, die sich in aussichtslosen Situationen befinden, durchgeführt würden. Fast nie wird im Video der Akt der Zeugung angesprochen, außer im Bezug einer Vergewaltigung (bekannterweise werden nur 0,1% aller Abtreibungen mit dieser Begründung durchgeführt). So scheint es, dass die meisten Schwangerschaften einfach so und völlig zufällig zustande kommen und man als Individuum eigentlich keine Chance hat, nicht schwanger zu werden.

Im Laufe des Videos werden auch Pro-Life-Aktivisten, kirchliche Würdenträger und Ärzte, die aus Gewissensgründen keine Abtreibung durchführen, interviewt. Doch besteht die Tendenz, dass nach jedem solchem Gespräch ein Abtreibungsbefürworter eingestrahlt wird, welcher dann versucht, die vorher genannten Positionen ins Lächerliche zu ziehen. Es wird ein Gefühl von Nähe und Distanz vermittelt: dort stehen die radikalen und irrationalen Abtreibungsgegner, und hier, nah beim Zuschauer, sind die aufgeklärten und rationalen Abtreibungsbefürworter. Darüber hinaus werden Ärzte, die Abtreibungen aus Gewissensgründen ablehnen, mit dem plakativen und von der Erzählerin mit einer beschämenden Stimme ausgesprochenem Begriff “Verweigerer” abgestempelt, welche nicht in der Lage sind, ihre Pflicht zu erfüllen – obwohl der Hippokratische Eid ja gerade auf den Schutz von Leben geschworen wird! Die Gewissensfreiheit der Ärzte wird diskreditiert, auch durch die Behauptung, dass diese Frauen über Ärzte informieren müssten, welche bereit wären Abtreibungen durchzuführen.

Die Doku ist recht inkonsistent in ihrem Wortgebrauch, mal spricht man nur von “Föten”, dann doch von abgetriebenen “Kindern”, dann von dem Recht der “Eltern” auf die Leichen der Ungeborenen. Im Laufe der Reportage werden immer wieder die Wörter “autoritär”, “reaktionär”, “ultrakonservativ” verwendet und so ein Versuch unternommen, die Abtreibungsgegner mit Rechtsextremen in Verbindung zu bringen.

Pro-Life-Märsche werden als von dunklen, im Hintergrund wirkenden, Kräften organisiert und finanziert dargestellt, während die Pro-Abtreibungsveranstaltungen als Ausdruck von Zivilcourage dargestellt werden. Aktionen engagierter Lebensschützer aus Frankreich werden als Verwirrung der Jugend dargestellt. Legale Arbeit von Pro-Life-NGOs im Europäischen Parlament wird als intransparenter Lobbyismus beschrieben. Sie werden beschuldigt, die Frauen- und Menschenrechte, und sogar die Ökologie (in Bezug auf die vom Papst Franziskus formulierte These der integrativen Ökologie) für den Lebensschutz instrumentalisiert zu haben. Ein sogenannter “engagierter Gynäkologe” zieht sogar den Nexus von Abtreibungsverbot zum Übergang zu totalitären Diktaturen, welche so ihre Armeereserven aufstocken wollen. Dabei wird in derselben Dokumentation sogar erwähnt, dass es der sowjetische Diktator Lenin war, welcher die Sowjetunion zum weltweit ersten Land mit offenen Zugang zu Abtreibungen gemacht hat! Darüber hinaus werden alle eugenischen Praktiken während des Nationalsozialismus, behinderte oder “rassisch minderwertige” Kinder abzutreiben, in der Reportage gar nicht erwähnt. Auch wird nicht auf die “aufgeklärten” Vorzeigedemokratien Skandinaviens, oder der Benelux Staaten, wo über 95% aller Kinder mit Down Syndrom (in Island liegt diese Zahl bei fast 100%!) abgetrieben werden, verwiesen.

Es ist auch interessant zu beobachten, dass Angebote, welche den Müttern mehr Zeit um ihre Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden, als unzumutbare Bürden dargestellt werden. Eine Interviewte behauptet sogar, dass ein Kind ein ganzes Leben zerstören könne, und dass die Gesellschaft versuche, ihr Schuld einzureden. Die Frauen, die abgetrieben haben, werden immer als starke Heldinnen, die sich dem patriarchalen System widersetzten, dargestellt, nie wird positiv von den wirklich starken Frauen gesprochen, welche sich entschieden haben, ihren Kindern das Leben zu schenken. Allgemein wird im Narrativ der Reportage nie wirklich die Frage gestellt, wann ein ungeborenes Kind ein Leben verdient; relevant sind bloß die Bedürfnisse der Frau –Initiativen wie die Einbindung des Vaters in die Entscheidungsfindung werden ins Lächerliche gezogen.

Über diese 90-minütige Reportage könnte man noch viel schreiben, man könnte sich über jede Unwahrheit und jede Verleumdung empören, doch ist dies auch ein gegebener Anlass, um die im Mainstream vorherrschende Meinung zur Abtreibung zu analysieren und so seine eigene Argumentation zu verbessern. Deswegen sollte man sich nicht entmutigen lassen und mit erneutem Elan an diese Problematik herangehen, denn solange es Menschen gibt, die für das Leben kämpfen, wird auch das Thema Abtreibung gesellschaftlich relevant bleiben.

 

Kommentar von Modestas Ziugzda

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